ein Kommentar von Daniel Streit
Bachelor-Studiengang: Sauerland kann Vorreiterrolle einnehmen
In der vergangenen Woche berichteten viele Medien über aufkommende Unzufriedenheit seitens Unternehmer mit Bachelor-Absolventen. Dies erinnert stark an vergangene Zeiten: Im Vorfeld der 1999 beschlossenen Bologna-Reform waren es auch die Unternehmen, die sich über deutsche Universitätsabsolventen beklagten und die Studienmodelle unbedingt verändern wollten. Internationale Standardisierung auf Bachelor- und Masterniveau, weitestgehend einheitliche Curricula und eine verkürzte Studiendauer waren die Wünsche der Wirtschaft. Nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Studierenden selbst, seien durch überlange Studienzeiten im internationalen Vergleich benachteiligt. Nach reiflicher Diskussion sind die Ergebnisse, welche in die Bologna-Reform mündeten, nun fast vollständig umgesetzt und sichtbar. Der Bachelor-Abschluss kann an den meisten deutschen Universitäten schon nach 6 Semestern erreicht werden. Nur wenige Ausnahmen verlangen eine Regelstudienzeit von 7 oder 8 Semestern. Der Master, der letztlich die wissenschaftliche Fundierung des Gelernten ergänzen soll, dauert dann nochmals 4 Semester. Mit diesen Veränderungen konnte die Wirtschaft damals schließlich Häkchen an die Punkte auf ihrem Wunschzettel machen.
Heute haben sich diese Wünsche offensichtlich wieder geändert: zu wenig Fachwissen, zu wenig praktische Erfahrung und generell einfach noch etwas unbeholfen. So charakterisieren Sprecher des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und einzelne Unternehmer die Bachelor-Absolventen von heute. Dabei muss man sich Folgendes vor Augen halten: Wer vor seinem Studium nicht zum Wehrdienst eingezogen worden ist oder Zivildienst leistete, kann bereits drei Jahre nach der Hochschulqualifikation in einem Vorstellungsgespräch sitzen. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht wird dies in Zukunft zum Regelfall. Viele sind dann erst 22 oder 23 Jahre alt – im Vergleich zum bisherigen Modell ein erheblicher Unterschied, denn vor der Bologna-Reform erreichten die Studierenden ihren berufsqualifizierenden Abschluss oft erst mit Ende 20. Das sich Unternehmen damit nicht nur auf Qualitäts- sondern auch Persönlichkeitsunterschiede einstellen müssen, liegt also in der Natur einer verkürzten Studiendauer.
In den vermeintlichen Problemen der Unternehmen mit den neuen Bachelorn kann man aber auch eine große Chance für beide Seiten sehen – das Sauerland könnte sich diesbezüglich sogar als Vorreiter positionieren und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Schließlich reden wir hier von den doch in unserer Region heute und zukünftig so händeringend gesuchten Fach- und Führungskräften. Unternehmen könnten Studierende von umliegenden Universitäten schon während des Studiums einbinden und durch Vermittlung von Fachwissen und praktischer Erfahrung letztlich auch für ihre eigenen Bedürfnisse wichtige Aspekte mit auf den Weg geben. Natürlich verlangt dies ein großes Engagement der Unternehmen, denn sie müssen Praktikumsplätze anbieten, die auch für Studenten zu absolvieren sind. Sprich: die Mindesteinsatzdauer eines Praktikums muss mit den vorlesungsfreien Zeiten kompatibel sein aber gleichzeitig so gestaltet werden, dass beide Seiten davon profitieren können. Gegebenenfalls kann über mehrere Semesterferien hinweg ein Praktikumsverhältnis geschlossen werden, in dem die Studierenden dann mehrere Abteilungen des Unternehmens erkunden und unterstützen können. Dadurch würden nicht nur die Defizite der Absolventen korrigiert, sondern auch eine gewisse Partnerschaft zwischen Studenten und Unternehmen geschlossen, die dem Fach- und Führungskräftemangel im Sauerland entgegentreten könnten. Denn wenn das Unternehmen attraktiv ist, junge Menschen frühzeitig mit einbindet und ihnen Zukunftsperspektiven aufzeigt, erhöht sich die Chance auf langfristige Ambitionen der Studierenden auch nach dem Abschluss.
Weitere denkbare Maßnahmen könnten zudem unternehmenseigene Trainee- oder Stipendienprogramme sein, die einen ähnlichen Effekt haben. Im Gegenzug gilt der Apell natürlich gleichermaßen den betroffenen Studierenden. Wenn man auf ein Unternehmen im Sauerland aufmerksam geworden ist, muss auch möglichst eigenständig und engagiert der Kontakt aufgebaut und gehalten werden. Unternehmen und Studierende im Sauerland müssen zum genannten Zweck zusammen finden. Hier könnte die Initiative HomebaseSauerland in Zukunft eine Schnittstellenfunktion einnehmen. Die Initiative hat sich dem Kampf gegen den Fach- und Führungskräftemangel im Sauerland nun angenommen und wird sich auch darum bemühen genannte Synergieeffekte auzugreifen.