Interview: Reinhard Schwope, Ankerbahnhof
Reinhard Schwope will Menschen und Orte zusammenbringen. Mit seiner Serviceagentur "Ankerbahnhof" hat er sich auf die Ankommenssituationen von Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen spezialisiert. Er ist Coach, hält Vorträge und gibt Workshops zu diesen Themen. Als gebürtiger Schmallenberger hat der Wahl-Kölner eine besondere Beziehung zum Sauerland. Er möchte einen wirkungsvollen Austausch zwischen urbanen Leben und dem Leben auf dem Land fördern.
Fühlen Sie sich mittlerweile mehr als Kölner oder als Sauerländer?
Ich habe mit dem Sauerland eine Geburtsheimat und mit Köln eine Wahlheimat. Auch wenn mein Lebensmittelpunkt in Köln ist, bin ich dem Sauerland sehr verbunden und pflege alte Kontakte. Für mich ist das liberale Köln und das konservative Sauerland eine ideale Kombination aus Stadt- und Landleben. Das räumlich auszuleben, kann ich noch nicht realisieren. Ich präferiere keine Region, weil ich mich in beiden Regionen sehr gut und gleich gut „angekommen“ fühle.
Seit einiger Zeit sind Sie mit ihrem Konzept der „Ankerbahnhöfe“ auch im Sauerland unterwegs. Was steckt dahinter und welche Projekte wollen Sie künftig in der Region umsetzen?
Der Ankerbahnhof ist eine Serviceagentur für Ankommenskultur. Unabhängig vom Lebensalter und egal ob jemand Alt- oder Neubürger*in an seinem gewählten Lebensort ist, der Ankerbahnhof beschäftigt sich mit der Themenwelt des Ankommens von Menschen an ihrem Lebensort. Ziel ist es, Menschen und Lebensorte einander näher zu bringen. Der Ankerbahnhof begleitet Menschen auf ihrer persönlichen Lebensortreise und hilft ihnen dabei, sich „angekommen“ zu fühlen. Im Fokus stehen dabei Fachkräfte, Familien und Neubürger*innen. Der Ankerbahnhof kümmert sich z. B. um das Wohl von Mitarbeitern*innen am Lebensort außerhalb des Arbeitsplatzes. Eine Stärke des Ankerbahnhofs ist es, Neubürger*innen, auch zeitlich befristet auf das Leben am gewählten Lebensort vorzubereiten und beim Ankommensprozess mit Blick auf eine nachhaltige Integration zu begleiten. Vor diesem Hintergrund gibt es vielseitige Projekte mit Blick auf Kommunen, Unternehmen, Bürger*innen und im Bildungsbereich.
Welche Stärken machen das Sauerland für Sie zu einem attraktiven Lebensort? Wo sehen Sie Potenziale für das Sauerland zur Verbesserung der Lebensqualität und in der Außenwirkung ?
Die Natur, die Ruhe, berufliche Perspektiven und vieles mehr sind alles gut Argumente für eine Lebensortwahl im Sauerland. Mir persönlich ist das an einigen Stellen zu wenig. Mit dem Ausbau des Glasfasernetzes ist man aber auf dem Richtigen weg. Die Online-Welt und die damit verbundenen Möglichkeiten insbesondere mit Blick auf soziale Vernetzung und Gemeinschaften ist meiner Meinung nach enorm wichtig für den Zukunftsstandort Sauerland. Aktuell entwickle ich hier Projekte. Oft habe ich insbesondere unter jüngeren Bürgern*innen den Satz gehört: „Hier ist nichts los, ich muss weg“. Mit der Gegenfrage „Kennst Du Deinen Lebensort eigentlich richtig und hast Deine Meinung überprüft?“, habe ich einige Menschen zum Nachdenken gebracht. Wer sich diese Frage gewissenhaft beantwortet hat und immer noch meint, dass für ihn persönlich nichts los ist, den kann ich sehr gut verstehen. In einem solchen konkreten Fall empfehle ich z. B. mit Blick auf Kultur und Events die urbane Vernetzung. Der Ankerbahnhof macht dies z. B. für das Sauerland mit Blick auf Köln. Im Sauerland leben und zusätzlich einen vertrauten urbanen Ankerpunkt haben, den man nach Bedarf aufsucht, ist meiner Meinung nach insbesondere für jüngere Menschen eine nachhaltige Lebensortperspektive.
Was kann Köln vom Sauerland lernen?
Vielen Dank für die Frage. Da ich Impulse von der Stadt aufs Land bringe und umgekehrt finde ich es gut, das Sie mich darauf ansprechen. Entschleunigung, Ruheoasen, etwas Natur in der Großstadt und ländliche Gemeinschaftskultur sind für mich Aspekte, welche in einer Großstadt wie Köln zu kurz kommen. Hier kann die Stadt vom Land lernen.
5. Wann ist man in ihren Augen erfolgreich am Lebensort angekommen?
Angekommen ist man meiner Meinung dann, wenn man aus voller Überzeugung heraus das Gefühl hat, nicht mehr wegzuwollen. Dieses Lebensgefühl erreicht man optimal, wenn man einen Lebensort gefunden hat, wo man selbstbestimmt das machen kann, was man möchte. Das Ausleben seiner Wünsche und Bedürfnisse ist dabei von entscheidender Bedeutung. Auch wenn man sich außerhalb seines Lebensortes aufhält und Sehnsucht nach seinem Hause, seiner Wohnung (ich nenne sie Basisstation) hat ist man „angekommen“. Hat man darüber hinaus für sich die richtigen Gemeinschaften am Lebensort gefunden und fühlt man sich täglich vor diesem Hintergrund geborgen, rundet das meiner Meinung nach den Prozess des Ankommens optimal ab.
Aufgrund hoher Fluktuationen im Arbeitsmarkt wird man künftig mehr "Bewohner auf Zeit" im Sauerland haben. Wie geht man mit solchen "temporären Nachbarn" um?
„Nachbarn“ auf Zeit würde ich zunächst ein Erstgespräch anbieten, hier sondiert man, was Neubürger* innen mit Blick auf ihren befristeten Aufenthalt brauchen. Ausgehend von diesem Gespräch werden Integrations- und Betreuungsschritte für den ganzen Aufenthaltszeitraum festgelegt. „Nachbarn“ auf Zeit brauchen meiner Meinung bei Fragen und Problemen eine zentrale Anlaufstelle wie z. B. den Ankerbahnhof, der Ihnen auch direkte Kontaktpersonen vermittelt.
Zuletzt geben Sie uns doch einmal einen Tipp für Neuentdeckungen im Sauerland. Welchen Ort könnte man sich auch als Einheimischer nochmal ansehen?
Aufgrund individueller Vorstellungen von Menschen möchte ich keinen allgemeinen Tipp geben oder einen Ort nennen. Für mich ist wichtig, Menschen zunächst selbstbestimmt Wege aufzuzeigen, wie Sie z. B. Neues im Sauerland entdecken. Im Anschluss gebe ich dann Impulse, Tipps und nenne gegebenenfalls Orte. Dies mache ich über Workshops oder Einzelgespräche. Der Vorteil für die Menschen ist, dass Sie richtungsweisend das bekommen, was Ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht.